Jamil Ahmad. Der Weg des Falken. Hoffmann und Campe, Hamburg 2013.
Ungewöhnlich. Ahmad hat nur dieses eine Werk veröffentlicht. Und erst Jahrzehnte nachdem er es geschrieben hat. Und nur durch den Zufall, dass sein Bruder das vergilbte Manuskript bei einem Literaturwettbewerb eingereicht hat. Welch glücklicher Zufall.
Ahmad, 1931 in Britisch-Indien geboren, 2014 in Pakistan gestorben. Als Beamter in Diensten des Staates, zog es ihn in die entlegenen Regionen Pakistans an die Grenze zu Afghanistan und Iran, dorthin, wo der ewige Klang kahler Steine, heulender Winde und prasselndem Regen den Rhythmus von Mensch und Tier bestimmen, wo die Kamele der Nomaden nur überleben können, wenn sie Jahr für Jahr aus den Bergen über die Landesgrenzen ins saftig grüne Tal wandern, wo sich die Rückzugsgebiete der Terroristen finden, wo die Clans im vergeblichen Kampf gegen die Auflösung ihrer jahrhundertealten Traditionen und Strukturen leben.
Der Weg des Falken ist die Geschichte von Tor Baz, einem Jungen, der kaum Überlebenschancen hat. Dessen Eltern die Stammesregeln brechen und nach Jahren auf der Flucht grausam sterben. Doch der Junge findet Aufnahme bei einem Soldaten, einem Mullah, einem Paar als Sohnersatz. Oder auch bei den Belutschen, einem Volk, das sich gegen ein von der Regierung ernanntes Oberhaupt zur Wehr setzt und dessen Abgesandte – trotz vorgeblich freien Geleits – in der Stadt zum Tode verurteilt und hingerichtet werden. In neun Kapiteln begleitet Ahmad den Jungen durch die unwirtliche und teils grausame Welt der Nomaden und Clans, durch Stammesfehden und den ungleichen Kampf zwischen Regierung und Clan, zwischen alt und neu. Absurdistan zeigt sich, als das erste Transistorradio in einem Clan vom Mullah zum Tode durch Erschießen verurteilt und von den Kugeln des Exekutionskommandos zerfetzt wird.
Im Deutschlandfunk Kultur sagte Stefan Weidner:
Ahmad hat in diesem Roman seine eigenen Erlebnisse und Beobachtungen in eine Sprache verwandelt, die eine eigene poetische Landschaft entstehen lässt, in einem Rhythmus, der dem wiegenden Gang eines Kamels folgt, trotz aller Kargheit voller Wärme für die Menschen und ihre kleinen Glücksmomente.
Hören
Nusrat Fateh Ali Khan (1948 – 1997)
Ich habe den Roman wieder hervorgeholt, nachdem mir nach einer turbulenten und stressreichen Woche Nusrat Fateh Ali Khan mit seiner Party geholfen hatte, die Arbeit zu vergessen und mich von seinem Qawwali-Gesang entführen zu lassen. Nusrat habe ich einige Male live gesehen und war jedes Mal fasziniert von seiner Ausstrahlung und der Sogwirkung seiner Musik. Unvergesslich für mich seine Paris-Konzerte von 1985 und 1988, die es auch auf Tonträger gibt. Ähnlich wie der Sitarvirtuose Ravi Shankar, zog auch Nusrat zahllose Stars aus Musik und Film in seinen Bann. Doch bei aller Popularität seiner Aufnahmen mit Massive Attack, Peter Gabriel, Pearl Jam oder den Gipsy Kings, mich faszinieren nach wie vor seine traditionellen Werke am meisten.
Nusrat Fateh Ali Khan en concert à Paris, Vol 1 + 2 (1985)
Nusrat Fateh Ali Khan en concert à Paris, Vol 3 + 4 (1988)
Devotional Songs (1988)
Swan Song (2000)
Zum Reinhören:
Dam Mast Qalandar, ein Sufi Lied zu Ehren des Sufi Heiligen Qalandar. Dieses Lied wurde unter dem Titel „Mustt Mustt“ von zahlreichen Musikern interpretiert bzw. remixed (Gipsy Kings, Massive Attack etc.) und ist wohl sein bekanntestes
Na Man Behodda Girde, o bazaar mi gardam, ein Poem aus dem 13. Jhd.: „Weder töricht noch leichtsinnig, in der Gasse und auf dem Markt, streife ich umher“