Juli 2016
 Lyrik

Entschädigung II

Noch einmal Entschädigung. Und wieder geht es um die Mächtigen der Welt. Diesmal nicht um Macht und Einfluss der Industrie. Hier geht es um Macht und Einfluss der Kirche.

Entschädigung II

213 Jahre später,
noch immer nicht gelöst.
Staat und Kirche seien nicht eins,
so heißt es im Gesetz.
Doch empfängt diese, was jener freigebig glaubt, zahlen zu müssen,
Jahr für Jahr,
hunderte von Millionen,
seit Gründung der Bundesrepublik mehr als 15 Milliarden,
auch heuer wieder 510 Millionen.

Wofür?
Entschädigung für die Säkularisierung,
die Trennung von geistlicher und weltlicher Macht.
Die Abgabe von Klöstern und Ländereien
an weltliche Landesfürsten
im Jahre 1803 des Herrn.

Zahlungen zur Sicherung der Seelsorge,
für die Ausbildung und Versorgung der Seelsorger.
Und mit großer Geste den Fürstbischöfen bis zu ihrem Lebensende großzügige Versorgung zugedacht.

Nicht aber für folgende Generationen.

Stillschweigend immer weitergezahlt, bis heute.
Trotz gesetzlicher Aufforderung zur Neuregelung
im Jahre 1919 des Herrn.
Trotz Übernahme dieser Aufforderung in das Grundgesetz.
Hartnäckiges Ignorieren,
fortgesetztes Zahlen,
mit Verzinsung der Staatsrente,
ohne besondere Zweckbindung.
Genutzt etwa für die Besoldung hoher Geistlicher
mit fünfstelligen Gehältern der Bischöfe.

Wohl dem, der Weihe erhält vom Heiligen Stuhl,
dorthin berufen wird.
Obschon von dort besoldet,
wird Ruhestandsgeld vom Steuerzahler nachgeschoben;
meist mehr als zwei Drittel der ehemaligen Bezüge.
Für Tebartz van Elst zum Beispiel, den Gescholtenen, den Verschwender,
doch nie Belangten,
stattdessen nach Rom Berufenen.
Dort fürstlich honoriert.
Und doch, es scheint nicht zu reichen,
zusätzlich mit bald 7.000 Euro Monat für Monat
von uns, die wir ihn lieben, unterstützt.

Und wir,
die wir an Gott glauben,
an seine Milde und Gerechtigkeit –
wir füttern weiter den fetten Wanst derjenigen,
die im Namen des Herrn nie genug bekommen können

und verweigern denen,
die nicht Steine gaben,
sondern ihre Gesundheit und ihr Leben –
denen verweigern wir auch noch die letzten Krümel,
im Namen des Rechts,
gegen das Recht.

Anmerkungen:

Kirche … neigt … dazu, einmal erworbenes Gut und erworbene Positionen zu verteidigen. Die Fähigkeit zu Selbstbescheidung und Selbstbeschneidung ist nicht in der richtigen Weise entwickelt.

Joseph Kardinal Ratzinger. Salz der Erde. Stuttgart 1996, S. 185

Wissen Sie, was das größte Problem der Kirche in Deutschland ist? Sie hat zu viel Geld.

Joseph Kardinal Ratzinger. Interview mit Robert Spaemann. Zit. nach Die Welt, 29.9.2011

Die Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften sind in Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) abschließend geregelt, welcher gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes und somit geltendes Verfassungsrecht ist.

Hiernach sind die bei Inkrafttreten der WRV bestehenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften durch die Landesgesetzgeber abzulösen, also gegen eine einmalige Entschädigungsleistung zu beenden. Die Grundsätze für die Ablösung hat gem. Art. 138 Abs. 1 Satz 2 WRV das Reich, also heute der Bundestag, aufzustellen. Dieser Verfassungsauftrag wurde seit 1919 nicht erfüllt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsleistungen

siehe auch Entschädigung I