David Whish-Wilson: Die Swann-Reihe, Band 1 bis 4, Suhrkamp Verlag, 2017 – 2021
David Whish-Wilson, Jahrgang 1966, gehört zu den jüngeren Stars der australischen hardboiled Krimi-Szene. 1984 verlässt er Australien und lebt in Europa, Afrika und Asien – einen Teil seiner Kindheit und Jugend verbingt er in Singapore. Kein Job war schlecht genug, als dass er ihn nicht annimmt, ob als Barmann, Schauspieler, Straßenverkäufer, Arbeiter, Schädlingsbekämpfer, Lehrer und auch als Testperson für klinische Forschung. Nach einigen Kurzgeschichten erschernt 2006 sein erster Roman „The Summons“, der – wie auch seine übrigen Romane außerhalb der Krimi-Reihe – noch nicht ins Deutsche übersetzt ist. In Fremantle, West-Australien, unterrichtet er kreatives Schreiben an der Curtlin Universität. Sowohl in West-Australien als auch auf den Fidschis ruft Whish-Wilson ein Schreibprogramm für Gefangene des Landes ins Leben. Kann es für einen Krimi-Autor einen anregenderen Lebenslauf geben?
Die Swann-Reihe, Bd. 1: Die Ratten von Perth
Mitte der 70er Jahre, in Perth wird eine Bordellchefin mit gezielten Kopfschüssen getötet. Zweifelsohne sind Polizisten die Täter.
Wow, schon sind wir mitten drin in den „Ratten von Perth“, dem ersten Band der Swann-Reihe, der uns in die Mitte der 1970er Jahre zurückführt. Und wir fiebern mit Superintendent Frank Swann der Auflösung des Falls entgegen: Er stellt sich gegen seine Kollegen, wirft ihnen vor, gegen Honorar die Bosse der Unterwelt zu schützen, bringt den zu den Akten gelegten Fall der ermordeten Bordellbesitzerin wieder ins Rollen und vor Gericht und ermittelt auf eigenen Faust.
Garniert wird dieser bravourös erzählte Thriller mit der seit Monaten verschwundenen Tochter, einer Affäre mit einer Ex-Kollegin und der Suspendierung vom Dienst wegen seines labilen, unzuverlässigen und trinkfesten Verhaltens. Und dann entwickelt sich auch noch sein ehemaliger Partner Ben Hogan mit seiner grenzenlosen Skrupellosigkeit und Habgier zum größten Gegenspieler von Frank Swann.
Whish-Wilson zeichnet lebendige Figuren mit Ecken und Kanten, zeigt uns ein Perth, aus dem man sich schleunigst verdrücken sollte: Queen und AC/DC quäken aus den Lautsprechern, Korruption bis in höchste politische Ämter, eine Polizei, die wie in manchem Western das Recht ganz eigenwillig egoistisch interpretiert nach dem Motto: zahlst Du nicht, dann kriegst Du Probleme.
Die Swann-Reihe, Bd. 2: Die Gruben von Perth
Mit Spannung habe ich auf den zweiten Teil der Reihe, „Die Gruben von Perth“, gewartet, der drei Jahre später am selben Ort spielt und hinsichtlich Korruption und Gewalt nahtlos an Teil 1 anschließt. Swann ist inzwischen aus dem Polizeidienst ausgeschieden und verdient sein Brot als Privatermittler. Jennifer Henderson beauftragt Swann, den Selbstmord ihres Mannes zu untersuchen. Was gibt es da zu tun? Der Falls ist klar. Wirklich? Banküberfälle ausgerechnet mit dem gestohlenen Motorrad von Gus Riley, dem Boss einer Motorradgang. Der Chef einer Kaufhausdetektei in Nöten. Die Polizei immer noch in sämtliche Schweinereien verwickelt. Und alles dreht sich um Gold, erschwindelte Schürfrechte, Bestechung und Korruption bis ganz nach Oben. Polizisten, die ihre gewohnten Schutzgelder davonschwimmen sehen, werden zu gefährlichen Feinden für Swann, allen voran sein Ex-Partner Ben Hogan, inzwischen Leiter des Investigation Brand CIB. Brutale Biker, die Swann gerne im Jenseits sähen und für jeden arbeiten, der zahlt. Und schließlich Swann selber, der seine Mittel mehr und mehr an die seiner Gegner anpasst.
Die Swann-Reihe, Bd. 3: Das große Aufräumen
1983, Frank Swann arbeitet seit nunmehr acht Jahren als Privatermittler. Seine Feinde sind dieselben: vor allem CIB Chef Ben Hogan, dessen Geldsucht keine Grenzen kennt. Viele ehemalige Kollegen von Frank aus seiner Zeit bei der Polizei, Bikergruppen, Geschäftsleute, Kriminelle. Frank ergattert einen Traumjob als Sicherheitschef für den frisch gewählten Premierminister Rob Farrell. In der Praxis heißt das allerdings: erledige die Drecksarbeit für meine rechte Hand. Schon bald dreht sich fast alles um das vom Premierminister angekündigte größte Stadtentwicklungprojekt im Bundesstaat Western Australia. Das Projekt umfasst auch ein staatliches Casino, das der „Mafia“ gar nicht zupass kommt. Franks Auftrag liegt nicht nur darin, täglich das Büro des Premierministers auf Wanzen zu untersuchen, sondern auch die Angebote der „Baufirmen“ für das Projekt zu prüfen. Und dann kommt wieder alles zusammen: auf Swanns Kopf ist ein Preisgeld ausgesetzt. Er soll Gus Riley, dem uns längst bekannten Chef einer Motorradgang gegen eine neue Bikergang aus Neuseeland helfen. Der Sohn eines alten Kumpels flieht in letzter Sekunde vor seiner Ermordung durch Wachen aus dem Knast. Frank soll das Desaster wieder ins Lot bringen, benötigt dazu aber die Hilfe von Des, dem meistgesuchten Gangster Australiens. Denn wenn die Tactical Response Group anrückt, heißt es lakonisch: Gefangene werden nicht gemacht. Zurück bleiben zerfetzte Körper.
Whish-Wilson schafft es auch diesmal wieder, die Spannung hochzuhalten, beeindruckt mit der Detailkenntnis von Fremantle mit all seiner Flora und Fauna, und lässt uns in den wenigen Momenten, in denen sich Swann mit seiner Frau Marion austauscht und bei ihr ausspannt, selber zu Atem kommen. Wieder ein gelungener Wurf.
Die Swann-Reihe, Bd. 4: Shore Leave
(bislang nur auf Englisch; soll aber noch in diesem Jahr auf Deutsch erscheinen.) 1989. Immer noch Fremantle. Und wieder steht Frank Swann im Mittelpunkt der Geschichte. Was hat der Tod zweier Frauen mit der Ankunft des atomgetriebenen US-Flugzeugträgers Carl Vinson in der Hafenstadt zu tun? Wie soll Swann, der von einer nicht diagnostizierten Krankheit geschwächt zu Hause lebt, diesen Fall lösen? Wird es für ihn weniger riskant, weil Ben Hogan keine Gefahr mehr darstellt?
Es scheint, als würde die ursprüngliche Trilogie zur Freude aller Whish-Wilson Fans nun doch zu einer größeren Swann-Reihe ausgebaut.
Hören
Anders als Garry Disher, der mich immer wieder anregt, australische Musik zu hören (siehe Garry Disher – Leiser Tod), hat mich Whish-Wilson in ganz andere musikalische Welten entführt:
The Temptations mit ihrem unglaublichen Rauschgiftsong Cloud Nine (CD: Cloud Nine; auch auf verschiedenen Temptation-Kompilationen).
Stevie Wonder unbedingt Living For The City auf Innvervisions, eine Scheibe, die Stevie komplett im Alleingang komponiert, aufgenommen und produziert hat und auf der er sämtliche Instrumente selber spielt. Ein Album mit zum Teil bedrückenden Texten und exzellenter Soulmusik.
The Clash und ihr so vielschichtiges Doppelalbum London Calling das mit Reggae, Ska, Blues, Pop etc. weit mehr ist, als eine Punk-Platte und viele Geschichten erzählt.
Zum Reinhören
The Temptations – Cloud Nine
Stevie Wonder – Living In The City
The Clash – Londong Calling
Zu Shore Leave nennt Whish-Wilson zwei Songs, die ihm beim Schreiben in den Sinn gekommen sind: