Garry Disher. Leiser Tod. Ein Inspektor Challis Roman, Bd. 6. Unionsverlag, 2018
Australien mausert sich seit einigen Jahren zu einer neuen Hochburg exzellenter Krimi-Autorinnen und Autoren. Zu den „Altmeistern“ Garry Disher und Peter Temple gesellen sich Candice Fox (Crimson-Lake-Reihe), Jane Harper (Aaron-Falk-Reihe), Alan Carter (Philip-„Cato“-Kwong-Reihe) und David Whish-Wilson (Swann-Reihe).
Garry Disher und David Whish-Wilson gelingt es, vielschichtige Erzählstränge mit beeindruckenden, zum Teil ganz schrägen Typen aufzubauen und geschickt miteinander zu verknüpfen. Ihre Krimis sind hart und legen die Schattenseiten der australischen Polizei bloß.
Auch der aktuelle Band 6 der Inspektor-Challis-Romane ist wieder ein spannend, vielschichtig und bravourös erzählter Polizeiroman. Er spielt vor den Toren Melbournes. In aller scheinbaren Ruhe entwickelt Disher ganz eigenständige Handlungsstränge: ein Vergewaltiger (gar in Polizeiuniform?) als Hauptstrang, den Disher zugleich nutzt, um Sexismus bei der australischen Polizei zu beleuchten. Dazu eine Serie meisterhafter Einbrüche als genialer Nebenstrang um die spielsüchtige junge Meisterdiebin Grace mit ihren diversen Geheimnissen.
Und als sei das noch nicht genug, finden wir Penisgraffitis an den Toren der Reichen, einen Bankräuber und, wie könnte es anders sein für Hal Challis – er hat auch noch Krach mit seinen Vorgesetzten.
Das alles verknüpft Garry Disher geschickt zu einem faszinierenden Thriller, der mit tollen Wendungen von der ersten Seite an fasziniert, der seinen verschiedenen Protagonisten hinreichend Raum gibt und uns ganz nebenbei noch viel über Land und Leute Australiens erzählt.
Ich bin seit Jahren treuer Fan von Garry Disher (1949). Die Inspektor-Challis-Reihe kann ich jedem Krimifreund nur wärmstens ans Herz legen. Auch dieser sechste Band sprang völlig zu Recht gleich auf Platz 1 der Krimi-Bestenliste. Band 7 „Signal Loss“ liegt noch nicht in der deutschen Übersetzung vor. Wer nicht warten will, kann zu der englischen Ausgabe greifen.
Vielleicht liegt Disher‘s Erfolg an seiner Herkunft: Südaustralien, aufgewachsen in einer ländlich-landwirtschaftlichen Umgebung. Vielleicht liegt es an seinen zahlreichen Reisen durch Europa, Israel und Afrika. Vielleicht …, eigentlich ist es egal, woran es liegt, er ist ein exzellenter, vielfach prämierter Autor nicht nur harter Thriller. Disher schreibt auch historische Romane, Sach- und Kinderbücher. Und auch das spürt man in seinen Krimis.
Hören
Hier einige Scheiben, die mich bei australischen Krimis begleiten:
Anni Piper
australische Bluesrockerin mit viel Dampf am E-Bass und rauer Stimme. Ihre Version des Hendrix-Titels Voodoo Child auf ihrer CD „Chasin‘ Tail“ ist für mich ein anregender Einstieg in die Krimis von Disher und Whish-Wilson. Zum Ausklang dann gerne Bruce Springsteens „Pink Cadillac“ in der entspannten Interpretation von Anni Piper auf ihrer aktuellen CD „Blow Up Doll“.
Wiley Reed
Blues und Soul Sänger und Pianist. Der 2012 mit 68 Jahren zu früh verstorbene Afroamerikaner, lebte seit 1967 in Australien. Sein letztes Album „Straight From The Heart“ stammt aus 2003 und ist nur schwer erhältlich, in den üblichen Streamingdiensten aber zu hören.
Sidney City Trash
Auf ihrer CD„Terror Australia“ mischen Sidney City Trash sozialkritische Texte mit Country und Punk. Alkohol und Gewalt ziehen sich durch dieses „fucking country“, dem sie in ihren Texten oft nur mit beißendem Spott zu begegnen wissen. Auf ihrer CD “Classic Cuntry Hits From Beyond The Grave” wünschen sie der Queen (God Save The Queen) “that in hell she may rott” und spielen damit auf den Johnny Cash Klassiker “San Quentin” an: “San Quentin may you rott and burn in hell”.