Mirella Freni (1935 – 2020)
„There is only Mirella“ jubelte die 75jährige Renata Tebaldi im Gespräch mit Hugh Canning auf die Frage nach ihrer Nachfolgerin (zit. im Begleitheft zu Mirella Freni. The Opera Singer, 2008). Tebaldi und die zwei Jahre jüngere Maria Callas waren in den 1950er und 1960er Jahren die überragenden Sopranistinnen vor allem im Spinto-Fach. Callas galt mit ihrer stupenden Technik, ihrem unglaublichen Stimmvolumen, das auch ein glasklares Es³ umfasste und mit ihrer zum Teil selbstzerstörerischen Dramatik auf der Bühne als die „Tigerin“, während der vor allem in Italien beliebtere „Engel“ Tebaldi die Menschen mit ihrer lyrischen, warmen Stimme in den dramatischsten Momenten zu Tränen rührte.
Die Faszination von Mirella Freni lag in der Leichtigkeit und Natürlichkeit ihrer Stimme, die auch nach fünf Jahrzehnten auf der Bühne noch „eine Jugendlichkeit, eine Frische wie ein Staunen über ihre Rolle“ zeigte, so der Musikkritiker Uwe Friedrich. Luciano Pavarotti, der im selben Jahr wie Mirella Freni auch in Modena geboren wurde und mit dem sie sich angeblich die Amme teilte, galt als ihr Traumpartner. Aber auch mit Niccolai Gedda brachte sie Sternstunden der Oper auf die Bühne.
Ihr Debüt gab sie 1955 als Bauernmädchen Micaëla in Bizets Carmen an ihrer Heimatbühne Modena. 1963 hatte sie ihren ersten Auftritt an der Mailänder Scala unter Karajan in ihrer lebenslangen Paraderolle, der Blumenstickerin Mimí in La Bohéme. Seitdem galt Mirella Freni als ideale Verkörperung der „soave fanciulla“, des „sanften Mädchens“ aus dem romantischen Duett zum Schluss des ersten Aktes von La Bohéme. Karajan war begeistert von Freni und förderte die junge Frau, die ihn mit ihrer strahlenden Stimme verzaubert hatte.
Bald war Mirella Freni auf allen bedeutenden Bühnen der Welt gefeierter Star. Ob als Marguerite in Gounods Faust, als Zerlina in Mozarts Don Giovanni, als Liú in Puccinis Turandot oder in späteren Jahren in den großen dramatischen Rollen als Tosca, als Aida oder als Desdemona in Verdis Otello, das Publikum lag Freni zu Füßen.