Frühlingsentscheidung
Sonntag, 21. Februar. Erster Frühlingstag. Sonne satt. 20 Grad. Eigentlich noch zu früh. Aber die Menschen zieht es raus aus ihren vier Wänden. Corona hin oder her. Sonne, frische Luft atmen. Einige Augenblicke die Restriktionen vergessen. Allen Warnungen und Durchhalteappellen zum Trotz. So, als seien wir mitten im Krieg, bräuchten aber einen Wimpernschlag lang Normalität.
Vor mit schlendert ein Paar, Hand in Hand. Beide Ende dreißig, Anfang vierzig. Nach einigen schweigsamen Minuten platzt es aus ihr heraus:
„Lass uns im Juni an die Ostsee fahren. Da können wir uns am Strand toll erholen und endlich zwei Wochen alle Corona-Sorgen vergessen.“
„Hallo, wie kommst Du denn auf den Quatsch? Weißt Du, wie kalt die Ostsee im Juni ist? Die hat 12 Grad. Da sitzt Du dann im dicken Pullover und steckst höchstens Deine nackten Füße in den Sand. Das kannst Du total vergessen.“
Sie macht den Mund auf, kriegt aber keinen Ton heraus. Er ist schneller.
„Wenn Du das unbedingt willst, kaufe ich einen oder zwei Eimer Sand. Den schütte ich Dir auf den Balkon. Da kannst Du schon ab morgen Deine Füße reinstecken.“
In dem Moment endet der gemütliche Bummel. Kein Händchenhalten mehr. Sie blickt angestrengt nach rechts, er nach links. Plötzlich gibt sie ihm einen Schubs und sieht ihn verschmitzt an:
„OK. Ich fahre alleine an die Ostsee und erhole mich. Vielleicht geht das ohne Dich sogar noch besser.“
Wie vom Donner gerührt bleibt er stehen. „Das hast Du doch noch nie gemacht. Du kannst doch nicht einfach alleine … „
Ich gehe grinsend an den beiden vorbei. Schönen Sonntag.