Aufwärmen im Osten
Samstag 11. Dezember. Wenige Stunden vor der dritten Adventskerze. Wie fast überall im Lande, haben auch in Berlin die meisten Geschäfte länger als üblich geöffnet. Mich aber zieht es zu „Weihnachten im Tierpark Berlin“. Freunde hatten den Besuch dringend empfohlen. Also, nix wie hin. Vorherige Anmeldung unbedingt geboten. Gerade noch eine Karte erwischt mit Eintritt ab 17:30.
Ich bin stolzer Besitzer der Jahreskarte für Zoo, Tierpark und Aquarium und dachte in meinem nicht mehr ganz jugendlichen Leichtsinn: Ich gehe frühzeitig, führe einträchtig Konversation mit Uhu, Bison, Löwe und Co und mache mich dann auf in den Weihnachtsteil. Pustekuchen
„Der Tierpark wird um 17:00 für die ersten Besuchergruppen geöffnet“, erklärt mir ein freundlicher Wächter des Parks. „Der vorherige Besuch bei den Tieren ist nicht möglich, da sämtliche Tiere in ihre Häuser gebracht werden.“
„Kann ich denn wenigstens auch schon um 17:00 rein? Es ist saukalt und bis zu meinem Zeitfenster sind es noch gut 90 Minuten.“
„Nein, leider nicht. Alles ausverkauft. Sie müssen warten, bis Ihr Zeitfenster aufgerufen wird.“
„Wo kann ich mich denn hier solange aufwärmen?“
„Sie müssen nur die Straße (Am Tierpark) überqueren. Da war zumindest früher ein Café.“
Na wenigstens etwas, dachte ich. Gesagt getan. Das Tierpark Center sieht ziemlich verlassen aus, alles stockdunkel. Doch direkt nebenan leuchtet der „Berliner Eisbär am Tierpark“. Hoffentlich haben die nicht nur Eisiges, sondern auch was Heißes. Ich bin zwar noch warm am Körper; doch die feuchtkalte Luft kriecht mir langsam vom Gesicht in die Knochen.
Im Eisbär duckt sich eine dreiköpfige Familie stillschweigend um einen Tisch. Obendrauf einige leere Eisbecher und Colaflaschen. Ich stehe vor der Theke. Eine junge Frau schlendert gemütlich aus hinteren Räumen heran.
„Ich habe schon alles abgestellt“ ist die zwar freundlich gesagte aber enttäuschende Begrüßung.
„Sie haben doch laut Aushang bis 18:00 geöffnet. Und jetzt ist es gerade einmal 16:30.“
„Ich bin heute alleine hier, und ich habe noch was vor. Daher schließe ich jetzt. Aber etwas weiter hier runter (sie zeigt in eine undefinierte Richtung) gibt es noch ein Café. Die haben auch selbstgemachten Kuchen.“
Also wieder raus in die Eiseskälte. Nach einigem Suchen finde ich in irgendeiner fast finsteren Ecke die „Bäckerei und Konditorei Nicolai“ Ein Schild verkündet „geöffnet bis 17:30“. Das sieht doch gut aus. Ich also die wenigen Stufen hinauf in den in schmutzigem Gelb gestrichenen Container aus Stein. Mehrere Kuchen in der Vitrine. Drei kleine Tische. Keine Gäste. Eine junge, gelangweilt dreinschauende Frau mit Kopftuch kommt aus einem Nebenraum.
„Ich hätte gerne einen Tee…“ Der Rest meines Satzes verweht im Raum. Sie schüttelt den Kopf. „Ich schließe gerade. Sie können aber gerne noch Kuchen mitnehmen.“
„Auf Ihrem Schild draußen steht doch, dass Sie bis 17:30 geöffnet haben.“
„Ach, das Schild. Ich mache Feierabend.“
Wieder nichts. Auf meinem Erkundungsgang entdecke ich die Bodo-Uhse Bibliothek, hell erleuchtet, mit einigen bequem aussehenden Sesseln und vielen Büchern. Auch wenn es hier vermutlich keine heißen Getränke gibt, wenigstens warm sollte es hier sein. Ich bin noch nicht ganz mit meiner Hand am Türgriff, da wird es wie von Zauberhand stockdunkel. Kein Stromausfall. Die Bibliothek hat geschlossen.
Und dann gibt es doch noch eine Lösung für den völlig durchgefrorenen und verzweifelt nach einem wärmenden Platz suchenden Menschen: Der REWE-Markt. Nach wenigen Minuten sitze ich glücklich und zufrieden mit einer Tasse Pfefferminztee und einer Brezel auf einem Hocker und betrachte das Geschehen im Markt. Den Besuch „Weihnachten im Tierpark“ hätte ich fast verträumt.