Die Infusion
Nachdem ich letztes Jahr einige Male meine zerdepperten Knochen auf dem OP-Tisch reparieren lassen musste (s. Der Aufenthalt 1 und 2), bot sich anschließend vorsichtshalber die Messung meiner Knochendichte an. Ein nicht besonders komplizierter Vorgang.
Auf Empfehlung wende ich mich an Dr. Z, den Leiter einer großen Praxisgemeinschaft mit zahlreichen Fachdisziplinen.
Staunend betrete ich sein über und über mit Bildern und Pflanzen verziertes Sprechzimmer. Der Doktor, ganz in dezentem Beige-Braun mit Schlips und Kragen und teuren Lederboots, strahlt gelassene Eleganz, Wohlstand und Souveränität aus. Allerdings stören seine abgeknabberten Fingernägel dieses Bild.
Nicht, dass es hinterher wie im Zwei-Männer-Drama von Thomas Bernhard heißt: Der Schein trügt.
Dr. Z erklärt mir das Verfahren und weist gleich darauf hin, dass die Mess- und Laborergebnisse lediglich meinen Zustand zeigen. Für die Ursachensuche sei eine intensive Anamnese notwendig, die er unmittelbar anschließt. Kurz darauf liege ich auch schon unter dem DEXA-Messarm. Anschließend fließt wenige Meter weiter mein Blut in einige Röhrchen. Dass ich dabei fast auf dem Gang sitze, ist ungewöhnlich, stört mich aber nicht.
Halbwegs leise singe ich gut gelaunt vor mich hin:
Probier’s mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit
Disney’s Dschungelbuch
Jagst du den Alltag und die Sorgen weg.
Und wenn du stets gemütlich bist und etwas appetitlich ist,
dann nimm es dir egal von welchem Fleck.
Eine Mutter mit zwei Kindern bleibt stehen. Sie lachen, singen mit, und die Kinder tanzen auf dem Gang wie Balu. Eine Mitarbeiterin kommt des Weges und gleitet mit einigen Tanzschritten grinsend an den Kindern vorbei. Glückshormone füllen Raum und Menschen.
Wenige Minuten später erläutert mir Dr. Z die Ergebnisse der Messung. Es ist gar nicht so einfach die Ausdrucke auf seinem Schreibtisch zu lesen, baut doch eine schön anzusehende Pflanzenphalanx am Boden zwischen mir und seinem Schreibtisch eine grüne Hürde auf.
Wir vereinbaren den 12.01. für unser nächstes Treffen: Besprechung des Sachverhalts und der weiteren Schritte. Zur Vorbereitung schickt mir Dr. Z. seinen Bericht, in dem er bereits auf einige mögliche Medikationen eingeht. Soweit alles in Ordnung; doch beim Schlusssatz legt sich meine Stirn in Falten: „Ich habe Ihnen einen Termin in meiner Sprechstunde am 25.01. …. eingetragen.“
Wie kann er mir im Dezember schreiben, dass er einen Termin im Januar des Folgejahres eingetragen hat? Egal, was aber soll die nicht abgestimmte Terminverschiebung vom 12.01. auf den 25.01. Oder ist das jetzt ein zweiter Termin?
Ich rufe in der Praxis an. Vergeblich. Nach wenigen Augenblicken erhalte ich die Maschineninfo, dass Anrufe zwecklos seien. Ich solle ein Fax oder eine Mail schicken.
Fax? Geht’s noch?
Ich möchte am liebsten in in den Hörer brüllen
Ich schicke eine Mail; da die Zeit drängt, versuche aber vorsichtshalber am Folgetag wieder mein Glück per Telefon. Wieder der Verweis auf Fax und Mail. Doch 20 Minuten später habe ich sechs Richtige. Ich komme durch. Die freundliche Dame am Telefon ist wegen der beiden Termine irritiert.
Hat Dr. Z den ersten Termin direkt mir Ihnen in der Praxis ausgemacht?
Ja, und er hat ihn auch sofort in den Rechner eingegeben.
Ach, der Herr Doktor. So isser. Der kriegt die Abläufe nicht koordiniert. Deshalb sagen wir ihm auch immer wieder, er soll uns das überlassen. Ich spreche mit ihm. Bleiben Sie einen Moment dran.
Wenige Augenblicke später bestätigt sie den Termin am 12.01.
Vielleicht ist Dr. Z ja Mitglied der multikulturellen Berliner Theatergruppe „Die Zerstreuten“ und hat nicht verstanden, dass die dort vom Publikum gefeierte „Zerstreuung“ etwas anderes ist, als seine Zerstreuung in der Praxis und er denkt: „Was dort beklatscht wird, kann ja in meiner Praxis nicht schlecht sein.“
Am 12.01. empfiehlt mir Dr. Z eine Infusion als beste Behandlungsmethode. Sie sei auch nur einmal pro Jahr notwendig, habe aber beim ersten Durchgang erfahrungsgemäß einige Nebenwirkungen.
„Das Rezept stelle ich schnell selber aus. Dann müssen Sie nicht wieder vorne anstehen.“
Sehr kundenorientiert, denke ich. Ich nehme es, sehe aber nur ein leeres Blatt. „Da ist was schief gelaufen. Das Blatt ist leer.“
„Ach, da hat der Drucker wohl was verschluckt.“
Oder Du kannst mit der EDV nicht umgehen, grummelt es in meinem Hirn.
Er druckt eine neue Verordnung aus. Diesmal mit Medikament.
Ich hole die Infusion aus der Apotheke und komme zum vereinbarten Infusionstermin am 24.01. zur Praxis.
Im Nachgang zu diesem Nachmittag haben die Beschäftigten sicherlich von mir gedacht: We knew you were trouble when you walked in (Taylor Swift, I knew you were trouble)
Das Rezept
Der zerstreute Dr. Z hatte vergessen, auf der Verordnung zu unterschreiben. Ohne ärztliche Unterschrift kann ich das Rezept nicht bei der Krankenkasse abrechnen.
Ich informiere die Angestellte am Empfang über den Sachverhalt und bitte darum, dass Dr. Z noch eben auf der Verordnung unterschreibt.
„Dr. Z ist leider krank. Was machen wir denn da?“
Was ist das denn für eine blöde Frage. Hier laufen doch X Ärzte rum. Da wird doch wohl einer das Rezept unterschreiben können, schießt es mir durch den Kopf. Vielleicht hätte ich doch den Krakel selber in den Stempel der Praxis setzen sollen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass der Doktor krank ist.
„Es ist doch bestimmt eine Ärztin oder ein Arzt hier. Da sollte es doch kein Problem sein, mir eine Unterschrift zu besorgen.“
„Ich frage Frau Doktor. Setzen Sie sich schon mal ins Wartezimmer.“
Kurz darauf kommt die Ärztin zu mir und gibt mir das Rezept. Ich schaue nur kurz drauf.
„Entschuldigung, da stimmt was nicht.“
„Was ist denn nicht korrekt?“
„Sie haben mir eine neue Verordnung ausgestellt. Sie sollten doch nur auf der alten Verordnung unterschreiben; denn dort ist bereits der Stempel der Apotheke und der Rechnungsbetrag drauf. Ich habe die Infusion ja bereits besorgt und bezahlt. Das hatte ich auch so mit der Kollegin am Empfang besprochen.“
„Ach so. Ich kann aber nicht einfach auf einer Verordnung von Dr. Z unterschreiben. Aber kommen Sie mit zum Empfang.“
„Ähm“, sagt die Kollegin am Empfang nur unwesentlich verunsichert. „Das Rezept habe ich bereits vernichtet.“
„Wie? vernichtet?“, frage ich konsterniert. „Da steht doch groß und fett der Apothekenstempel und der bezahlte Betrag drauf. Und ich hatte Ihnen doch erklärt, worum es geht.“
„Das ist doch nicht so schlimm. Nehmen Sie einfach die neue Verordnung und holen Sie damit die Infusion.“
Die Ärztin nickt auffällig zustimmend.
Meine Augen wandern nach oben.
Ich wende mich an Mitarbeiterin und Ärztin.
„Hallo, ich habe bereits die Infusion geholt und 242,07 EUR bezahlt. Und ich bin jetzt hier, um die Infusion eingetrichtert zu bekommen. Das haben wir doch eben alles besprochen. Soll ich jetzt etwa mit einem neuen Rezept wieder losziehen, erneut 242,07 EUR berappen und dann noch einmal zu einem neuen Infusionstermin hierher radeln? Ich glaub, es hackt. Wo haben Sie denn mein Rezept hingeworfen?“
Die Mitarbeiterin fischt das Rezept aus dem Abfall. Es ist durchgerissen. Gottseidank nur einmal. Beide sehen mich fragend an.
„Unterschreiben Sie einfach. Und dann geben Sie mir das Ding. Ich klebe es zusammen und schicke es an die Kasse.“
Frau Doktor unterschreibt mit einem großen i. A. und drückt mir das Rezept in die Hand.
Ich hoffe, dass wenigstens die Infusion reibungslos über die Bühne geht.
Die Infusion
Mit 15 Minuten Verspätung dackele ich zurück ins Wartezimmer. Nix passiert. Ich gedulde mich weitere zehn Minuten bevor ich zum Tresen der Kolleginnen für Blutentnahme, Infusion etc. vorrücke. Ein Herr steht dort und zuckt resigniert die Schultern.
„Ich warte hier bereits 5 Minuten. Aber es kommt niemand.“
Wie kann das sein? Durch eine Durchreiche sehen und hören wir mehrere Angestellte im offensichtlich nicht beruflichen Plausch. Ich mache mich bemerkbar. Eine Kollegin kommt. Der Herr gibt sein Päckchen ab und setzt sich. Ich reiche ihr meine Infusion.
Nehmen Sie noch einen Moment Platz. Es geht gleich los.
Hören Sie, ich warte schon mehr als 30 Minuten. Ich möchte, dass es sofort losgeht.
Ich gebe die Infusion nur eben der zuständigen Kollegin. Infusionen dürfen nur zwei Kolleginnen machen. Daher dauert es manchmal länger. Aber jetzt sind Sie gleich dran.
Das verstehe ich nicht. Da sich der Aufwand bei Infusionen recht gut kalkulieren lässt, sollte es doch möglich sein, Termine korrekt zu planen und einzuhalten. Es kann doch nicht sein, dass ich da mehr als 5 Minuten warten muss.
Sie kennen Gottseidank die spontanen Einfälle unserer Ärzte nicht. Mehr will ich dazu nicht sagen.
Und dann gibt sie einer vorbeieilenden Kollegin meinen Infusionskarton und verzieht sich wieder in den Rückraum.
Ich laufe den Gang entlang hinter der Kollegin her. Am Ende des Flurs verschwindet sie hinter einer Tür, kommt aber presto pronto wieder raus und läuft mir, bewaffent mit meiner Infusionspackung, in die Arme.
„Sind Sie für die Infusion zuständig?“
„Ja. Sie sind Herr Averkamp?“
Ich bestätige.
„Ich komme gleich zu Ihnen. Es dauert nur noch einige Augenblicke.“
„Nein! Ich warte nicht noch länger. Entweder ich erhalte die Infusion jetzt direkt, oder Sie geben mir die Packung und ich gehe zu einer anderen Praxis.“ „OK, dann kommen Sie mit.“
Wir gehen in den hinteren Teil, vorbei an einigen Patienten, die ähnlich den Hühnern auf der Hühnerleiter nebeneinander aufgereiht sitzen, mal mit freigelegtem Arm, mal mit Zapfnadel im Arm, mal mit einem Druckfinger auf der Einstichstelle.
Eine schwangere junge Frau raunzt eine Mitarbeiterin an.
„Warum ich heute schon weder hier bin? Blöde Frage. Weil Sie nicht das gemacht haben, was meine Gynäkologin in ihren Bericht geschrieben und mit dem Arzt besprochen hat. Es war ausdrücklich ausgemacht, dass eine umfangreiche Blutanalyse vorgenommen wird. Jetzt fehlen viele Analysewerte. Deshalb bin ich hier. Deshalb muss ich mir wieder Blut abnehmen lassen. Deshalb muss ich wieder einen halben Tag frei nehmen. Deshalb bin ich sauer.“
Ich verstehe zwar die weiteren Details zu den Blutwerten nicht, frage mich aber, aus welchem Grund die Gynäkologin die Blutentnahme nicht selber durchführt und die Analyse einem Labor überlässt. Das ist doch eine durchaus lukrative Einnahmequelle für Ärzte. Wie dem auch sei, die Organisation in dieser Praxis hat offensichtlich noch viel Luft nach oben.
Der Mensch lebt durch den Kopf
Brecht / Weill: Dreigroschenoper. Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens.
Der Kopf reicht ihm nicht aus
Versuch‘ es nur; von deinem Kopf
Lebt höchstens eine Laus
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlau genug
Niemals merkt er eben
Diesen Lug und Trug
Meine Infusionistin hat mich inzwischen zu einer Pritsche hinter einem Vorhang gebracht. Ich mache es mir auf der Liege gemütlich. Bevor sie mir die Infusionsnadel setzt, klärt sie mich darüber auf, dass der Tropf ganz, ganz langsam laufen muss, damit er möglichst gute Wirkung erzielt und weniger Nebenwirkungen verursacht. Das werde ca. eine Stunde dauern.
Und dann folgt mein Kardinalfehler:
Ganz nebenbei bitte ich sie, mir noch ein Rezept für hochdosiertes Kalzium und Vitamin D zu besorgen, weil ich das nach der Infusion unbedingt benötige, so Dr. Z.
Die Infusionistin entschwebt bevor sie mir die Nadel setzt, und ich stehe wieder im Regen, statt mit „Antiostheo“ gefüllt zu werden.
Kurze Zeit später kommt sie mit der Ärztin im Schlepptau zurück.
Wieso wollen Sie eine Infusion, fragt die Ärztin streng. Dr. Z hat Ihnen doch Tabletten verordnet. Haben Sie denn seinen Bericht nicht erhalten?
Offensichtlich nicht. Ich kenne keinen Bericht, in dem mir Dr. Z Tabletten verordnet. Dann hätte er mir sicherlich kein Rezept für eine Infusion ausgestellt, antworte ich genervt.
Die Ärztin springt auf. Ich drucke Ihnen den Bericht. Dr. Z ist oft ziemlich zerstreut. Und Berichte mag er gar nicht.
Mit diesen Worten entschwindet sie bevor ich Luft holen kann, um sie aufzuhalten.
Zurück, legt sie mir zwei Zettel auf die Beine. „Da können Sie gleich alles nachlesen.“
„Es ist doch völlig egal, was dort steht. Bei unserem Treffen hat mir Dr. Z eine Infusion verordnet, die mir heute verabreicht werden soll. Wo also ist da noch Ihr Problem?“
„Im Bericht steht, dass Sie erst morgen, am 25.01. den Termin mit dem Doktor haben. Und bei diesem Termin wird der Sachverhalt besprochen. Also stimmt da was nicht in Ihrer Darstellung. Der Doktor ist zwar krank; aber ich rufe ihn an und bespreche das mit ihm.“
„Hallo!!! Dr. Z hat mir die Infusion aufgeschrieben. Sie hatten doch eben erst das Rezept in der Hand. Und Sie haben es auch unterschrieben. Was wollen Sie denn noch von ihm hören?“
„Sie haben also wirklich mit ihm gesprochen, und er hat Ihnen die Infusion verschrieben?“
„Ja, ja, zum hundertsten Mal ja. Spielen Sie hier Versteckte Kamera, oder wollen Sie meine Toleranzgrenze austesten? Das kann doch alles nicht wahr sein. Sie haben doch das Rezept eben erst gesehen. Das habe ich mir doch nicht selber ausgestellt. Und wenn ich Sie so höre, frage ich mich, ob die Infusion vielleicht nicht der beste Behandlungsansatz für mich ist? Oder verhalten Sie sich so, weil Sie Dr. Z für nicht kompetent halten?“
„Nein, nein, Dr. Z ist zwar oft zerstreut, aber er ist kompetent. Und die Infusion ist derzeit die beste Behandlungsmöglichkeit. Nur müssen Sie mit erheblichen Nebenwirkungen rechnen. Aber die können Sie alle auf dem Beipackzettel nachlesen.“
„Sie werden doch sicher in der Lage sein, mir die häufigsten und zugleich relevantesten Nebenwirkungen zu nennen?“
Die Ärztin spult eine Reihe von möglichen Nebenwirkungen herunter. „Und in zwei bis drei Tagen müssen Sie mit einer Grippe rechnen.“
„Mit einer Grippe? In zwei bis drei Tagen? Dr. Z sprach davon, dass ich nach der Infusion ein bis drei Tage lang mit leichtem Fieber und ggf. einem fiebrigen Infekt rechnen müsse. Ich habe in vier Tagen mein nächstes dreistündiges Physio Training für meine neue Hüfte. Das kann ich nicht einfach ausfallen lassen.“
„Die Nebenwirkungen können kurzfristig oder auch etwas später eintreten“, fährt sie fort. „Und in Einzelfällen kann es leider zu größeren Beeinträchtigungen kommen.“
„Wichtig ist, dass Sie heute ganz viel trinken. Wieviel trinken Sie denn am Tag?“
„Etwa zwei bis zweieinhalb Liter. Mindestens einen Liter habe ich heute bereits getrunken.“
„Dann verdoppeln Sie heute die Tagesmenge.“
„Ich soll also heute insgesamt vier bis fünf Liter trinken?“
„Ja. Üblicherweise müssen Sie am Infusionstag die Trinkmenge verdoppeln.“ „Jemand, der sonst nur einen halben Liter am Tag trinkt, kommt dann also mit einem Liter zurecht?“
„Ja.“
Fassungslos schüttele ich den Kopf. I can’t forget the day I shot that bad bitch down (Johnny Cash, Cocaine Blues).
„Ach, und falls Sie Schmerzen bekommen, nehmen Sie ein paar Tage lang Ibuprofen oder Paracetamol. Das haben Sie sicherlich zu Hause.“
„Nein, habe ich nicht.“
„Wenn ich Ihnen das jetzt verordne, bekommen Sie gleich wieder eine ganze Packung. Das ist doch Verschwendung.“
Wie wahr, wie wahr. Woran es wohl liegen mag, dass man in vielen Ländern der Welt seine Tabletten passend portioniert bekommt und bei uns immer gleich ganze Packungen? Ein Schelm, der da böse Gedanken hat.
„Geben Sie mir einfach einige Schmerztabletten,“ antworte ich der Ärztin. „Und stellen Sie mir bitte auch das Rezept für die Vitamine aus.“
Ich hätte mir denken können, dass das nicht passiert; aber das ist bei dem Chaos vermutlich das geringste Problem. Im Eilschritt entfleucht Frau Doktor; nur weg von mir und vielleicht auch von den bösen Geistern des Dr. Z.
Why does every single little tiny thing I hold on goes wrong? Yeah it all goes wrong, yeah. (Janis Joplin: Ball and Chains)
Endlich steckt die Infusionsnadel im Arm. Die Flüssigkeit tropft in Zeitlupe. Ich stecke die Stöpsel in meine Ohren. Das Liebeslied Jarabi startet die wunderbare Scheibe Fasiya von Sona Jobarteh. Sie entstammt einer westafrikanischen Griot Familie, in der die Kunst des Koraspiels nicht vom Vater auf den Sohn, sondern auf die Tochter übertragen wurde – eine Sensation für ganz Westafrika.
Nur kurz lasse ich mich von der Plauderei einiger Mitarbeiterinnen stören. Sie stehen direkt vor meinem Vorhang und unterhalten sich über Urlaub, Partys etc. Zu tun haben sie offensichtlich nicht gerade viel. Ich schließe die Augen und träume mich in die Ferne.
Irgendwann spricht mich die Infusionistin an und fragt, ob alles in Ordnung sei. Sie gibt mir einige Paracetamol und reicht mir den Bericht von Dr. Z. Es ist der, den ich bereits erhalten hatte. Da steht keinesfalls, dass er mir Tabletten verordnet, sondern: „(Für die Therapie) kommt zum Beispiel die wöchentliche Einnahme von X beziehungsweise Y in Betracht.“
Aber vielleicht hatte die Ärztin ja auch nur die falsche Brille auf der Nase und konnte den Text lediglich verschwommen sehen oder aber sie liegt doch in Fehde mit Dr. Z und zweifelt alles an, was er macht. Wer weiß….
Boy, you don’t wanna‘ mess with me, mess with me
I’m a jealous, jealous, jealous girl
Lana Del Rey: Jealous Girl
Am frühen Abend bin ich endlich wieder zuhause.
Careful with that axe, Eugene, dreht sich auf dem Plattenteller. Nach 3:04 Minuten drehe ich den Ton voll auf. Der Schrei kann kommen.
Ich saufe wie ein Pferd; doch mehr als insgesamt gut vier Liter schaffe ich nicht. Lediglich meine Nieren meckern in der Nacht ein wenig; doch die müssen ja bei der Flüssigkeitsmenge auch Höchstleistung abliefern. Ansonsten haben mich weder Herzrasen, noch Fieber, noch ungefähr 100 mögliche weitere Nebenwirkungen gepiesakt.
Das Training kann ich entspannt angehen.